Liebe Franzi,
Du musstest lange auf meinen Brief warten, denn ich fühle mich wie paralysiert. Das aktuelle innenpolitische Geschehen um die Asylwerber beschämt mich zutiefst. Darum kippe ich vom „Schorle-Spaß“ in das Thema „Fremden-Hass“.
Du kennst mich und weißt, dass ich zwar ein Mensch mit Idealen aber wenig politischem Interesse bin. Kaum jemand ist so medienrestistent wie ich, bedingt durch Mangel an Zeit und zugegebenermaßen auch dadurch, dass ich die wenige Zeit für andere Dinge als Zeitung lesen, Fernsehen und Facebooken aufwende. Aber schließlich sind die Hetzparolen auch auf meinem Bildschirm erschienen, als ich für das letzte Lieblingsstück Posting meinen Facebook Account geöffnet habe. Eine ehemalige Schulkollegin postete, dass sie nach Krumpendorf ins Asylheim gefahren sei, um Kleidung abzugeben. Es hätte herzliche Begegnungen gegeben und jede/r solle selbst dorthin fahren um sich ein Bild zu machen.
Die Reaktionen waren erschreckend: Von „Gratuliere, Du hast soeben Dein Dummheitslevel auf 100 erhöht.“ und „Ob sie auch Sondermüll dorthin mitnehmen wolle“ zu „ Wegen solcher Gutmenschen wird dieses Gsindel von hier auch nicht mehr wegwollen.“
Auch mein Nachbar ist der Meinung, dass die 13 Asylwerber in Maria Saal für ihn eine Bedrohung wären und will das „Gschmeis“ weghaben.
Hier möchte ich auf einen Artikel von orf.at aufmerksam machen. Simon Hadler hat für “Eins und eins ist nicht drei” recherchiert und den kursierenden Vorurteilen Fakten gegenüberstellt. Sind eigentlich unsere Herzen klein geworden oder…
Wann sind eigentlich unsere Herzen klein geworden?
Mir kommen die Tränen bei solchen Aussagen. Wie können Österreicher, die mit solchem Wohlstand gesegnet sind so wenig Empathie aufbringen und von solchen Ängsten besessen sein? Jede/r kann sich auf eine Mindestsicherung und fließendes Wasser aus der Leitung verlassen. Wie können sie glauben, dass so viele Männer, Frauen und Kinder freiwillig ihr Heim verlassen, auf der Reise ins Ungewisse ihr Leben riskieren, um uns Österreichern hier was wegzunehmen?!?
Ich weiß es nicht und kann diese Ängste nicht nachvollziehen. Ich habe in meinem Leben bereits mein wenig Geld zusammengekratzt, meinen Mut zusammengenommen und bin nach New York geflogen mit dem Plan ein halbes Jahr herumzureisen. Mein Weg hat mich bis nach Guatemala geführt, die Reise hat ein Jahr gedauert, die Menschen, ob Mexikaner, Guatemalteken oder die Menschen in den USA waren mir freundlich gestimmt und haben mir geholfen, wenn ich nicht mehr weiterwusste, kein Geld hatte oder keine Unterkunft. Als ich mich bedankte, hörte ich öfters:“ Wenn ich vielleicht mal in dein Land reise, werde ich auch freundlichen Menschen begegnen.“ Die meisten von diesen Menschen, werden nie das Geld aufbringen, um nach Österreich zu reisen. Sich dieses Umstandes bewusst, haben sie mir trotzdem geholfen.
Würde ihnen die gleiche Freundlichkeit und Neugier begegnen? Wohl nicht. Denn hier regiert die Angst vor dem Andersein. Angst vor Hautfarbe, Angst vor Neuem, Angst vor Diebstahl. Diese Angst, liebe Österreicher und Österreicherinnen könnt ihr nur haben, weil ihr besitzt und nicht vertraut.
Die Menschen, die mir geholfen haben, hatten weniger Hab und Gut als ich (nur nicht in diesem Moment), doch waren reich an Vertrauen ins Leben. Das machte ihnen das Geben leicht.
Ich bin mir bewusst, dass diese Blogeintrag polarisiert, ich rechne damit hier negative Kommentare zu lesen. Doch es ist an der Zeit, dem Aufruf der ARD Kommentatorin Anja Reschke zu folgen (hier zum Video) und kundzutun, dass ich der Meinung bin, dass wir alle Menschen mit gleichen Rechten sind und auf dieser Welt leben. Schön für uns Österreicher, dass wir hier geboren sind. Doch es ist nicht nur unser Land, es sind nicht nur unsere Ressourcen. Es ist unsere Welt, es sind unsere Mitmenschen und wir sollten Verantwortung tragen.
Verantwortung tragen heißt in diesem Fall was tun und so tausche ich Paralyse gegen einen Action-Plan und weiß, Du bist dabei
1. In Krumpendorf anrufen und fragen, was gebraucht wird
2. Lager durchforsten und passende Teile aussortieren
3. Ein „refugges welcome“ Transparent für meinen Balkon sprayen
4. Mich bei den „neuen Maria Saalern“ vorstellen und fragen, ob sie etwas mit meinem alten Laptop anfangen können.
Vielleicht ist es so, dass ein Geschäft sich öffentlich nicht zu politischen Fragen äußern sollte, vielleicht gibt es nach diesem Beitrag Leute, die nicht mehr gut finden, wofür wir stehen. Doch Lieblingsstück ist ein Unternehmen, das auf Werten basiert. Diese Werte sind unsere Werte und klar definiert. Dazu gehört es auch zu helfen, wo Hilfe benötigt wird und nicht den Mund halten, weil es unseren Umsatz schmälern, eine gute nachbarschaftliche Beziehung beenden oder uns anti-likes beschweren könnte.
Denn Menschlichkeit ist eine Tugend und sollte verbreitet werden. Ganz in diesem Sinne #mundaufmachen …
Deine Melanie