Mein Lieblingsstück goes zero waste
Liebe Freund*innen, Kund*innen und Menschen, die dies hier lesen,
es geht in diesem Text um einen Abschied. Einen Abschied mit Retrospektive. Und wie Abschiede so sind, geht es hierbei auch um Gefühle. Ein breites Spektrum an Gefühlen, die in einem Loslassen enden.
Aber lasst mich am Anfang beginnen. Bei der Zeugung eines Babys sozusagen…
Wir schreiben das Jahr 2012. Mein erstes Baby wird geboren. Mein Leben macht eine Wendung, deren Grad ich weder damals noch heute bestimmen kann. Wenn ich sage, dass diese Zäsur mich und mein Leben um 1440 Grad in Laufe der fünf Jahre von 2012 – 2017 gedreht hat, würdet ihr lieben Leser*innen, die hier nachrechnen meinen, ich müsste wieder an meiner Ausgangsstelle stehen. So ist es nicht, denn ein Mensch, der in Bewegung gerät, kann niemals derselbe bleiben.
So begann die Mutterschaft für mich mit einem Loslassen von vielem Bekannten und mir Vertrauten. Dies fiel mir nicht immer leicht. Aber es begann auch eine Zeit der intensiven Liebesgeschichten. Ja, ihr lest richtig: Liebesgeschichten! Denn durch meinen erstgeborenen Sohn, das Geburtshaus Isis Noreia und unsere wunderbare Hebamme Tina Erian, lernten Franziska und ich uns kennen. Eine Draufgabe-Liebesgeschichte. Und so werden Franzi und ich 2013 wieder schwanger… mit einer Idee!
Upcycling-Mode
Wir wollen Upcycling-Mode machen, weil wir unsere Kinder mit Stoffwindeln wickeln und wir für die dicken Windelpopos unserer Wonneproppen nichts zum Anziehen finden. Weil es zu wenig nachhaltige Mode und überhaupt Mode aus Österreich gibt. Und weil wir es lieben an Bestehendem herumzutüfteln und umzugestalten.
Und wir wollten es für die Umwelt tun und unsere Söhne. Denn was gibt es Nachhaltigeres als das, was schon da ist?
An dieser Situation hat sich bis heute nichts verändert. Das Leben jedoch hat den vergangenen sieben Jahren und unseren Plänen mit der Upcycling Mode seine Würze verpasst:
Es ist, wie alle Geschichten, die wahr sind, eine Geschichte von Ups und Downs. Eine Bewegung in Wellen.
Mein Lieblingsstück
Wir haben mit Lieblingsstück – upcycled fashion – voller Tatendrang gestartet. In einem Land, in dem uns das Nähen der Kleidung ob des Gewerberechts nicht erlaubt war. Nachhaltige Rohstoffe waren vorhanden, jetzt brauchten wir noch eine nachhaltige, regionale Produktion. Daher entschieden wir uns für eine Kooperation mit Pro Mente, einem damals noch sozioökonomischen Betrieb.
Voller Tatendrang und Hingabe starteten wir, aber ohne Geld. Kein Know-How in der Modebranche, aber nichts zu verlieren. Dazu zwei Babys, die unsere ersten waren. Klingt doch nach dem perfekten Zeitpunkt ein Unternehmen zu gründen!
Knallharte Businesswelt
Wenige Wochen nach der Unternehmensgründung machten wir Bekanntschaft mit der wahren Businesswelt: Wir erhielten einen Anwaltsbrief mit der Aufforderung, unser Upcycling sogleich wieder einzustellen und Geld auf das Konto des Anwalts zu überweisen. Gemeinerweise bekamen diesen Brief nicht nur wir, sondern auch unser kleines, feines Netzwerk: der Mamiladen, unser erster Wiederverkaufsladen, und Pro Mente, unsere Produktionsstätte. Dieses Schreiben hat uns einiges an Problemen beschert, doch irgendwann hörte diese unschöne Brieffreundschaft unserer Anwälte auf und die Wogen glätteten sich. Wir machten unser Ding und das andere Unternehmen das ihre. Wenn man sich zufällig begegnete, war es trotzdem komisch.
Aus heutiger Sicht kann ich verstehen, dass man sich kopiert fühlt und andere als Konkurrent*innen sieht. Da durften wir zu einem späteren Zeitpunkt auch durch und uns immer wieder gegenseitig daran erinnern, dass das, was wir machen, eine Herzenssache ist und wir uns eigentlich wünschen, dass alle Welt upcyceln würde.
Mittlerweile hat sich dieses Problem ausgewachsen, nachdem der Boom Pumphosen und diverse andere Kleidung für Kinder zu nähen überall eingeschlagen hat.
Insgesamt merkten wir sehr schnell, dass unser Vorhaben, etwas Kreatives zu machen, ganz viele Begleiterscheinung hatte, die uns anfänglich mühsam und unlieb waren. Wie Buchhaltung machen, Messen nachzubereiten,… Oft lag es auch daran, dass immer Kinder da waren und konzentriertes Arbeiten eine Herausforderung war.
Nach und nach wuchsen wir in unsere Aufgaben hinein und feierten oft das Gefühl erfolgreich zu sein, immer wieder auch in der Medienarbeit. Viele wollten darüber berichten, wenige wollten die süßen Einzelstücke kaufen, schließlich hat regionale Produktion ihren Preis.
So ging es weiter…
2014 kam Franziskas Tochter und 2015 mein zweiter Sohn auf die Welt. Unsere bisherige mühsam aufgebaute Routine wurde wieder durcheinander geworfen. Nichtsdestotrotz wurde ständig das Sortiment erweitert. Wir wollten unbedingt auch Damenkleidung machen. Ich erinnere mich, dass ich selten so kreativ war, wie im Wochenbett meines jüngeren Sohnes. Sonnenbeschienen und mit der Sonne im Herzen saß ich gerne am Teppich. Ich schnitt erste Baby-Complets bestehend aus Höschen, Jäckchen und Häubchen zu. Nichtsdestotrotz waren wir auf Märkten unterwegs. Unsere Männer brachten die Babys zum Stillen. Nichtsdestotrotz starteten wir diesen Blog mit der Idee, darüber zu schreiben, wie uns das Leben als zweifache Mütter und Unternehmerinnen eines Start-Ups gelang.
Trotz all unseres Idealismus, trotz all unseres Wollens merkten wir, wie stark wir immer wieder an unseren Kraftreserven nagten. Wir wollten unsere Kinder liebe- und verständnisvoll begleiten, eine gute Partnerschaft mit unseren Männern leben. Dabei als Unternehmerinnen alles geben und erfolgreich sein, was für uns bedeutete, dass wir auch Geld damit verdienen wollten. Und wir waren bereits dabei den Zero Waste Lebensstil für uns zu entdecken….
Anforderung? Überforderung?
Wenn ich das hier schreibe, kommt sofort das Gefühl hoch, welches wir immer öfter spürten: Überforderung! Wir konnten unseren eigenen hohen Anforderungen nicht gerecht werden und fielen zeitversetzt oder auch zusammen in das Gefühl, nichts und niemanden zu genügen.
Und da kommt dann noch diese innere Stimme dazu, ich glaube, Psychologen nennen es das Über-Ich, die dir einflüstert, du sollst dich nicht so anstellen, andere würden das doch auch alles schaffen. Bäm!
Es hilft in diesen Phasen nichts, Menschen zu treffen, die dir auf die Frage, wie es ihnen gehe, immer wieder versichern, es gehe ihnen gut und sie seien “nur am genießen”.
Gerade kürzlich haben meine Mama und ich uns von unseren neuen bzw. immer wiederkehrenden Herausforderungen erzählt und ich sagte zu ihr: “Mir kommt vor, dass nur wir ständig Probleme haben” Und weise, wie Mütter manchmal sind, hat sie geantwortet: “Probleme hat jede*r. Es gibt nur Menschen, die darüber sprechen und die anderen eben nicht.”
(Den Wahrheitsgehalt dieser Aussage, darf jede*r von euch selbst prüfen.)
Was ist eigentlich wichtig?
Was jedoch geholfen hat, war bei Franzi eine Reise und bei mir eine Prioritätenliste und das langsame Erarbeiten eines Gefühls für meine Kräfte und die oft schmerzhafte Erkenntnis, dass ich nur mich ändern kann. Für mich stehen seit dieser Zeit ganz klar meine Kinder und mein eigenes Wohlbefinden an erster Stelle.
Danke, Herzstück von Mein Lieblingsstück
Nach einigen Versuchen, wieder eine Partner*in für die Upcycling Mode ins Boot zu holen, hab ich nun erkannt, dass es an der Zeit ist, loszulassen..
Es dauert seine Zeit und braucht meine stetige Übung, dem Leben Raum zugeben, still zu sein, abzuwarten und meine Vorstellungen gehen lassen zu können. Denn ich hatte mir vieles anders vorgestellt zwischendrin.
Es ist kein Aufgeben, es ist ein Raum und Ruhe schaffen, damit darin etwas Neues wachsen kann.
Auf meinem Weg bisher haben mir viele Menschen die Hände gereicht, waren und sind Wegbegleiter*innen, Unterstützer*innen und Mentor*innen. All diesen möchte ich Danke sagen.
Ich verabschiede mich hiermit offiziell von dem Teil von Mein Lieblingsstück, der die Upcycling Mode und damit Jahre lang das Herzstück dieses Unternehmens war. Für den Erfahrungsschatz, den ich mitnehmen darf, bedanke ich mich sehr.
Die wertvollste Erkenntnis ist die, dass alles Tun seinen Wert hat. Dieses Tun und die zugehörigen Lebensumstände bestimmen den Preis. So kann ein Produkt aus Österreich niemals im Preis mit einem Produkt aus China oder Bangladesch verglichen werden. Und ich frage immer wieder nach, wenn ich den Satz höre: “Das ist zu teuer!”, ob denn diese Person auch schon mal versuchte hätte, etwas zu Nähen. Denn ich kenne eine Wahrheit über den “wahren Preis”.
Ich als Konsumentin habe gelernt, dass ich Macht habe. Mit dem Kauf z.B. einer Hose gebe ich eine Stimme und unterstütze gewisse Lebensumstände.
Mein bewusstes Konsumverhalten erhält Firmen, die sich über die Welt und nicht nur die Euros in ihrer Tasche Gedanken machen.
Ich wünsche diesen Unternehmen kreative Einfälle und Durchhaltevermögen, um von und mit ihren Visionen leben zu können.
Mit mir hat das Leben was anderes als die Modebranche vor und daher verkaufen wir unsere letzten Lieblingsstücke im Kunst & Werk mit -25% ab.
Und nun?
Falls ihr euch, liebe Freund*innen und Kund*innen fragt, wie es mit Mein Lieblingsstück weitergeht: Mein Lieblingsstück goes zero waste und existiert weiter: als Handel von Zero Waste Produkten und Anlaufstelle für Workshops und Beratungen für weniger Abfall im Alltag, Büro oder der Gemeinde.
Was wir als in Kärnten gefertigte Upcycling-Einzelstücke im Sortiment behalten sind unsere Kultur-Pools, Seifensackerl und die Take-Away-Bags für den Zero Waste Alltag.
Unser Team besteht im Moment aus der lieben Kathi, die die meiste Zeit in Graz sitzt und nebenbei an der Uni brilliert und mir, hier in Kärnten.
Ich für mich genieße gerade die Ruhe und die Zeit mit meinen Kindern und freue mich über das mittlerweile große Zero Waste Sortiment von Mein Lieblingsstück, das ich für euch im Kunst & Werk präsentieren darf. Fühlt euch eingeladen, wieder einmal nach St. Veit an der Glan zu fahren und ins Kunst & Werk zu kommen, denn dieses Gemeinschaftsgeschäft ist immer einen Besuch wert!
Auf zu neuen Ufern!